Zurück Erde und Mond
Gezeiten
Was hält den Mond auf seiner Bahn um die Erde fest? Was ist für Ebbe und Flut verantwortlich?
Die Antwort ist: Die Massenanziehung (auch Gravitation genannt).
Das Gravitationsgesetzt ist relativ einfach:

Die Anziehungskraft zwischen zwei Massen ist gleich dem Produkt der beiden Massen geteilt durch das Quadrat ihres Abstands. Das ganze Ergebnis dann noch mit der Gravitationskonstanten multiplizieren - fertig.

Setzt man in die Gleichung die Mond- und Erdmasse ein und für r den Abstand zwischen Mond und Erde, erhält man die Anziehungskraft zwischen Erde und Mond, welche den Mond auf seiner Bahn um die Erde festhält.
Setzt man in die Gleichung die Erdmasse und die Masse 1kg ein mit dem Erdradius als Abstand, erhält man die Gewichtskraft für die Masse 1kg also ca. 10N.
Macht man dies für die Masse 1kg, die Mondmasse und den Abstand Erde-Mond, dann erhält man die Kraft, welche zwischen dem Mond und der Masse 1kg auf der Erde wirkt.
Ganz so simpel wie es oben dargestellt ist, liegt der Sachverhalt jedoch nicht:
Die Entfernung Erde-Mond beträgt ca. 380000km. Der Durchmesser der Erde beträgt knapp 13000km, das sind immerhin ca. 3% des Abstands Erde-Mond. Da im Gravitationsgesetz der Abstand im Quadrat eingeht, macht es durchaus einen Unterschied, ob obiges 1kg Massestück sich auf der dem Mond zugewandten oder abgewandten Seite der Erde befindet! Auf der mondnäheren Seite wirkt die Anziehungskraft von ca. 0,0000343N auf der entfernten Seite nur ca. 0,0000321N auf die Masse 1kg.
Diese Mond-Kräfte wirken auf jede Masse der Erde, nicht nur auf Wasser. Als Folge davon verformt sich die gesamte Erde, nicht nur die Ozeane.
(Die Erde ist praktisch ein "Flüssigkeitstropfen mit dünner Haut", aufgrund obiger Kräfte hebt und senkt sich der Erdboden je nach Breitengrad um ca. 30cm.)
Nach der bisherigen Theorie dürfte es aber nur einmal Ebbe und Flut pro Tag geben, wir beobachten jedoch doppelt so viele!
Der Grund ist, dass nicht nur die Gravitation des Monds wirkt, sondern auf der Erde auch Fliehkräfte auftreten. Die Fliehkräfte können aber nicht jene sein, die aus der Rotation der Erde um ihre eigene Achse erfolgen, die wirken überall vom Erdmittelpunkt weg, sind also überall gleich und können somit keine Auswirkung auf Ebbe und Flut haben.
Die Lösung des Problems ist, dass die Aussage "der Mond kreist um die Erde" falsch ist.
Im Weltall ist kein Körper irgendwie festgemacht, so dass gegenseitige Rotationen etwas komplizierter sind. Stellen wir uns zunächst mal zwei gleich schwere Körper vor, die umeinander kreisen. Dann sehen wir, dass beide sich um den gemeinsamen Schwerpunkt S auf einer Kreisbahn bewegen.
Sind die beiden Körper verschieden schwer, so verschiebt sich der Schwerpunkt, um den beide kreisen. Beide jedoch machen Kreisbewegungen. Ist der Unterschied der beiden Massen noch größer, so wandert der gemeinsame Schwerpunkt, um den beide kreisen, immer näher an den schwereren Körper heran und auch in ihn hinein.
Fliehkräfte wirken immer vom Rotationsmittelpunkt weg. Man sieht, dass die Fliehkräfte des größeren Körpers immer vom kleineren Körper weg zeigen müssen.
Der gemeinsame Schwerpunkt des Erde-Mond-Systems liegt in der Erde ca. 4000km von ihrem Mittelpunkt entfernt, um diesen Punkt kreist auch die Erde wie der Mond in ca. 28 Tagen. Die Fliehkräfte dieser Kreisbewegung betragen auf 1kg ca. 0,0000332N.

Zur Verdeutlichung mit der Maus auf die fett geschriebenen Worte gehen!
  • Die Massenanziehung des Monds ist auf der zugewandten Seite stärker als auf der abgewandten.
  • Die Fliehkraft aufgrund der Eigenrotation um die eigene Achse weist überall gleich stark vom Erdmittelpunkt weg und hat deswegen keine Auswirkungen auf Ebbe und Flut. (Diese Fliehkraft ist für die Abplattung der Erde verantwortlich.)
  • Die Fliehkraft der Drehung um den gemeinsamen Schwerpunkt von Erde und Mond ist überall gleich stark und weist überall in die gleiche Richtung: im mondnahen Punkt also zum Erdmittelpunkt, im mondfernen Punkt weg vom Erdmittelpunkt.
  • Alle Kräfte , die für Ebbe und Flut verantwortlich sind.
Man sieht, dass auf der dem Mond zugewandten Seite die Anziehungskraft des Monds größer als die Fliehkraft ist, es bleibt somit eine Kraft in Richtung Mond (vom Erdmittelpunkt weg) übrig.
Auf der anderen Seite der Erde ist die Fliehkraft jedoch größer als die Mondanziehung, deshalb bleibt auch hier eine Kraft vom Erdmittelpunkt weg übrig.
Somit müssen sich auf beiden Seiten Flutberge bilden.
Wenn man Fliehkräfte und Mondanziehungskräfte miteinander verrechnet, bleibt jeweils eine Kraft von ca. 0,0000011N übrig, die auf 1kg vom Erdmittelpunkt weg wirkt. Diese winzige Kraft verformt die Ozeane (und - etwas weniger - auch die Kontinente) um ca. 30cm bis 50cm.
Die oft gehörte Vorstellung, "die Erde dreht sich unter diesen Flutbergen hinweg" ist etwas voreilig. Sicher: Die Flutberge (und Ebbetäler) rotieren wie der Mond (und die Erde) um den gemeinsamen Schwerpunkt in ca. 28 Tagen, da die Erde sich in 1 Tag einmal um sich selbst dreht, könnte sie sich schon "unter den Flutbergen hinweg" bewegen, wenn nur nicht die Kontinente im Weg wären!
Ein Kontinent wie Nord-und Südamerika läßt den "Flutbergen" nicht viel Raum, um sich "darunter hinweg" zu drehen, da müssten dann schon gewaltige Strömungen an den Nord- und Südspitzen auftreten!
Auch sind hiermit die deutlich verschieden große Tidenhübe (=Unterschied zwischen Ebbe und Flut) nicht zu erklären.
Entscheidend ist, dass durch diese Kräfte in den mondnahen und mondfernen Regionen der Erde das Gewicht des Wassers sich verringert (Es wird leichter, da zusätzlich Kräfte vom Erdmittelpunkt weg auftreten.), dadurch sinkt aber auch der Druck, was eine Wasserströmung in den Tidenberg hinein auslöst. Die Gezeitenströme "schwappen" sozusagen in jedem Meer der Erde hin und her und je nach geografischer Ausbildung der Küstenlinie können sich deutlich größere Tidenhübe ergeben als aufgrund der ca. 30cm bis 50cm der Gezeitenkräfte zu erwarten wären. Dies erklärt auch, dass in kleineren Meeren deutlich weniger Tidenhub zu beobachten ist.
Vergessen wir dabei nicht: nicht nur das Wasser erfährt Gezeitenkräfte, auch die Kontinente der Erde schwimmen auf einer Flüssigkeit, die den Gezeiten unterworfen ist. (Und wenn dann bei kleineren Meeren keine größeren Gezeitenströme auftreten können, dann hebt und senkt sich der Wasserspiegel fast ebenso wie der Kontinent und es ist kaum Tide zu beobachten.)

Noch eine Anmerkung zu den Größenordnungen:
Größenordnungen im Weltall werden hier veranschaulicht.
Die Abplattung der Erde aufgrund ihrer Eigenrotation beträgt ca. 21km. Bei einem Durchmesser von 12700km ist dies fast vernachlässigbar: Wird die Erde als 12,7cm großer Kreis gezeichnet, dann beträgt die Abplattung 0,021cm. Sie ist somit eine fast perfekte Kugel. In demselben Maßstab sind die max. 50cm Verformung durch die Gezeiten als 0,0000005cm zu zeichnen! Und trotzdem haben sie deutliche Auswirkungen auf unser Leben.
Nicht nur der Mond, sondern auch die Sonne und die anderen Planeten üben Gravitationskräfte auf die Erde aus. Da die Sonne sehr viel massereicher als der Mond ist aber eben auch sehr viel weiter weg ist, ist ihr Einfluß auf die Gezeiten nur knapp halb so groß wie der des Monds. Stehen Sonne und Mond "auf derselben Seite" der Erde, verstärkt sich ihr Einfluss und es entsteht eine Springflut, stehen sie "auf verschiedenen Seiten" heben sich ihre Einflüsse zum Teil gegenseitig auf und es gibt Nippflut.